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Die Geschichte von Aragon dem Neufundländer

von Martin Thurau



Auf Anfrage teilte uns der Neufundländer-in-Not e.V. im Mai 2007 mit, dass dringend ein ca. 10-jähriger Neufundländerrüde namens Aragon zu vermitteln sei, der aus einer schweren Situation gerettet worden war. Er hatte offensichtlich ein gutes und hundegerechtes Leben gehabt. Als jedoch seine Halter gestorben waren, hatten ihn vermutlich die Nachkommen zusammen mit seinem Sohn in ein abgeschlossenes Grundstück gesperrt, wo die Hunde verwahrlosten. Es gab weder Papiere noch genaue Kenntnisse über Aragon. Beschwerden über Gebell brachte diese Tragödie schließlich zutage.

Ich traf Aragon vollkommen geschoren und verhärmt in einer Pferdebox der Pflegestelle bei einer Tierärztin vor. Nach dem, ersten Ausflug waren wir schon ein Herz und eine Seele. 4 Wochen später reiste Aragon willig mit ins ferne Schweinfurt, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Unsere besonders erfahrene Tierärztin Dr. Rakow in Zeil am Main nahm ihn sofort gründlich in Untersuchung und entwarf stehenden Fußes aufwändige Therapien, die ihm das Leben retteten. Aragon hatte Drüsenschäden und konnte sein Futter nicht verdauen, er war auch völlig abgemagert - vermutlich eine Folge schweren Schocks und Leidens. Unter diesen Therapien und unserer hingebungsvollen Pflege mit dauerhafter Medikamentierung fand Aragon zu seiner Gestalt eines wunderschönen, prächtigen Neufundländers zurück. 1 Urlaub in Burgund, 3 Urlaube in der Uckermark hat er bereitwillig und gut mit uns verlebt. Es war wunderschön mit ihm.

Zunächst gab es jedoch ernste Verhaltensprobleme. Und so etwas möge sich jeder zu Herzen nehmen, der hoffentlich nach reiflicher Planung und mit starker Unterstützung einen alten Hund aus dem Tierschutz nimmt. Der arme Aragon konnte zuhause nicht alleine bleiben, denn er veranstaltete starke Bellkonzerte und ramponierte unsere Türen, wenn alleingelassen. Nächtelange Telefonate mit Neufundländer-in-Not, hilflose Erkundigungen, Verzweiflung, Tränen. Wir engagierten dann sofort den fähigen Hundetrainer Achim Häusler in Madenhausen bei Schweinfurt (Hundezentrum am Berghof), der sein Problem als eine Kombination aus den Auswirkungen seiner Verwahrlosung zuvor und einer unzureichenden Eingliederung durch uns als Halter zuhause identifizierte. Was waren wir doch für unerfahrene Esel!!! Der Trainer entwarf Trainings und Therapien, die uns aus unserer tiefen Verzweiflung führten und binnen 14 Tagen Aragons Nöte in Luft auflösten. Ab da ging es mit Aragon völlig problemlos weiter durchs Leben! Sagenhaft.

Bemerkenswert ist, dass Aragon für uns zweimal rettend aktiv wurde. Einmal hatten wir uns auf einer langen Wanderungsschleife in einem großen Wald der einsamen Uckermark verlaufen. Wir hatten die Richtung verloren, weil im Walddickicht ständig Mooraugen zum umgehen waren. Nachdem wir eine Weile ratlos herumgestanden haben, setzte sich Aragon plötzlich entschieden in Bewegung und spurte geradewegs durch das Dickicht! Was blieb uns anderes übrig als ihm zu folgen? Und nach einiger Zeit gelangten wir an einen Zaun und konnten über eine flache Bodenwelle hinweg das Dach unseres Autos sehen!! Da blieb uns die Spucke weg....

Als Aragon das zweite Mal rettend tätig wurde, war die Situaton sehr gefährlich. Unsere abendliche Wanderung weit draußen entlang eines Sees begann im üblichen 3 Grad Celsius-Winterniesel-mit-Matschpampe, und ich war entsprechend leicht gekleidet. Plötzlich kam jedoch ein starker Sturm auf, es folgte ein dichtes Schneegestöber und ein drastischer Temperatursturz. Ich sah nichts mehr und konnte mich nicht einfach weiterbewegen, ich begann stark zu frieren Und da tat Aragon etwas wundervoll Bemerkennswertes: er kam von selber an meine Seite und presste sich gegen ,meinen Oberschenkel. Irgendwie kamen wir rasch überein, dass er mich so durch den Schneesturm führen würde. So konnte ich in Bewegung und einigermaßen temperiert bleiben, und wir kamen nach Vollendung der Wanderung (so hatte er mich dann doch pflichtbewusst geführt) in diesem Kontakt Hund-am-Oberschenkel am Auto wieder an. Danke, Aragon, du wunderbarer Hund!

Ansonsten war der alte Lulatsch für jeden Spaß zu haben: dynamische Futterspiele, Enten scheuchen im See, sich in einem toten Aal wälzen und unterm Abendessentisch entsprechend duften, eindrucksvolle Raufereien mit großen Rüden - er ließ nichts aus. Es war eine lustige, wundervolle Zeit mit ihm.

Und dann kündigte sich im Frühjahr 2010 sein Ende an. Er gab nachts beim Hinlegen Schmerzenslaute von sich und wurde unruhig, konnte nicht liegen bleiben. Er stand nachts oftmals merkwürdig mit gesenktem Kopf vor der Wand und verweilte dort völlig passiv. Außerdem begann er, mit seinen Hinterbeinen zusammenzusacken. Einen Monat lang gaben wir in jeder Nacht alles für ihn. Die ärztliche Untersuchung ergab geräumige Wasseransammlung im Körper, ein ganz schwach gewordenes Herz, Versagen des hinteren Bewegungsapparates - Aragon wurde am 25.02.2010 im Alter von vermutlich 13 Jahren schmerzfrei von seinen Leiden erlöst. Er war so schwach, dass schon die Narkosespritze für sein Ableben ausreichte, und das Tötungsgift gar nicht mehr injiziert werden musste.

Wir halten seitdem einen weiteren Neufundländer aus dem Tierschutz und eine total anders gestrickte Hirtenhündin aus Problemhaltung bei uns. Der zuletzt 9-jährige Neufi Heikki ist nun nach kurzem Leiden kollabiert und wurde erlöst - er hatte eine entsetzliche, heimtückische Krankheit, deren rätselhafte Symptome jahrelang schrecklich mitzuerleben waren.

Unser Apell:
es ist zutiefst sinnvoll und sehr belohnend und wunderschön, einen alten Hund aufzunehmen. Aber niemand darf das leichtfertig tun. Der Hund hat womöglich eine schlimme Vorgeschichte und Gesundheitsprobleme, und er hat ein Anbrecht auf einen Lebensabend in kundigen, aufopfernden, respektvollen, rücksichtsvollen und liebenden Händen. Dazu muss sein Halter sehr viel wissen und können und körperlich hoch belastbar sein, er muss dem Hund ein geeignetes Zuhause mit fest umzäuntem Garten bieten, über ein geeignetes Auto verfügen, einen exzellenten Tierarzt, einen sehr guten Hundetrainer und ggf. weitere wirksame Unterstützungen in Reichweite haben. Und er muss sich Tag und Nacht alle Zeit der Welt für seinen betagten Schützling nehmen, wenn der Hund Hilfe braucht. Finanzielle Grenzen müssen weit gesteckt sein.

Es ist furchtbar, was manche Leute denken: "man nimmt sich ´nen alten Hund zum üben, der braucht ja nicht mehr soviel.....", entsetzlich! Möge allein das betreffende Tierheim und Ihre Aufklärungsarbeit solchen Leuten die Augen öffnen und Tragödien für alte Hunde vermeiden helfen!

Mit den besten Grüßen und liebsten Wünschen für alle Hunde in Not

Petra und Martin